0
12,90 €
(inkl. MwSt.)

Besorgungs-Anfrage

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446200395
Sprache: Deutsch
Umfang: 197 S.
Format (T/L/B): 2.2 x 21.9 x 14.8 cm
Einband: Halbleinen

Beschreibung

Inhaltsbeschreibung folgt

Autorenportrait

Jostein Gaarder, 1952 in Norwegen geboren, studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaften. Er war lange Philosophielehrer und lebt heute als freier Schriftsteller in Oslo. Sein Roman Sofies Welt (1993) wurde in über 50 Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen von ihm Ein treuer Freund (Roman, 2017) und Genau richtig (2019). Im Herbst 2022 folgt die Graphic Novel Sofies Welt oder die Geschichte der Philosophie - Von den Anfängen (zusammen mit Vincent Zabus, Illustrationen: Nicoby).

Leseprobe

Liebe Berit, schön, dass wir uns in diesem Sommer gesehen haben. Das war wirklich toll. Morgen fängt die Schule wieder an und ich kann nicht gerade behaupten, dass ich mich darauf freue. Da sind so viele kleine Gören. Aber egal, nächstes Jahr bin ich fertig damit und dann wechselt Nils Bøyum Torgersen auf die Oberschule. Aber zur Sache. Ich habe viel über diese Idee mit dem Briefbuch nachgedacht und muss zugeben, dass ich sie doch nicht so schlecht finde. Briefe in ein Buch zu schreiben, das wir zwischen Oslo und Fjærland hin- und herschicken, wird mir so vorkommen, als ob wir ein Fotoalbum mit Worten füllten statt mit Bildern. (Hö, hö.) Wenn es etwas gibt, worüber wir schreiben können, meine ich. Das ist ja noch die Frage. Ich habe den Verdacht, dass dieser Herbst ebenso spannend wird wie ein Stück Knäckebrot mit Ziegenkäse, und in Fjærland ist wohl auch nicht gerade der Bär los, stell ich mir vor. Oder ist vielleicht auf eurem Gletscher ein geheimnisvoller Schneemensch entdeckt worden? Doch ich muss jetzt aufhören. Viele Grüße von meiner Mutter. Sie hofft, dass Tante Grete ihr neuer Job im Hotel gefällt, und sie ist "looking forward to seeing you again", wie es im Flugzeug heißt. Mein Vater würde sicher auch grüßen lassen, aber er muss Taxi fahren und weiß nicht, dass ich dir schreibe. Viele Grüße von deinem höchst geehrten Vetter Nils.

PS. Ich muss doch noch erzählen, dass etwas Seltsames passiert ist, als ich dieses Buch gekauft habe. Das habe ich nämlich nicht in Oslo gemacht, sondern auf dem Heimweg von Fjærland in Sogndal. Kannst du dich an diese seltsame Frau erinnern? Die mit den Telleraugen und dem zerfetzten Buch in der Handtasche? Die oben in der Flatbrehütte im Gästebuch las und uns über die Schulter geschaut hat, als wir unser Gedicht hineingeschrieben haben? Hast du das Gedicht noch im Kopf? Ich ja:

Hier in unserem Sommerspaß genießen wir ein Colaglas, Nils und Berit, das sind wir, verbringen unsre Ferien hier. Hier oben ist es wunderschön, wir mögen gar nicht wieder gehn.

Ziemlich gutes Gedicht, wenn du mich fragst. Aber ich wollte nicht über das Gedicht schreiben. Sondern über die Frau. Denn als ich in Sogndal in den Buchladen ging, war sie da. Sie wanderte an den Regalen entlang und sah sich die Bücher an. Und, Berit, sie sabberte! Ja, ich kann das nicht anders ausdrücken, die Frau stand im Buchladen und sabberte. Als wären die Bücher aus Schokolade oder Marzipan oder so. Und das Allerseltsamste passierte, als ich das Buch bezahlen wollte. Da kam sie zu mir und fragte, ob sie sich nicht dran beteiligen könnte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber sie starrte mich mit einem dermaßen unheimlichen Blick an, dass ich einfach nicht Nein sagen konnte. Ich weiß nicht, wie ich den Ausdruck in ihren Augen beschreiben soll, ich hatte das Gefühl, dass sie in mir las wie in einem offenen Buch. Ich konnte den Zehner einfach nur annehmen und "tausend Dank" sagen. Und kannst du dir vorstellen, was sie geantwortet hat? "Nein, ich habe zu danken!" Und dann zog sie ein Taschentuch hervor, wischte sich den Mund ab und war verschwunden. Hier ist jedenfalls das Buch. Ich lege den einen Schlüssel bei. Du musst das Buch unbedingt abschließen, wenn du gerade nicht drin schreibst. Denk dran, der Inhalt ist "for your eyes only" (nur für deine Augen). Du musst das Bild auf dem Einband so hinnehmen. Ich hatte die Wahl zwischen dem Sognefjord und einem Sonnenuntergang mit einem roten Herzen als Sonne. Wofür hättest du dich entschieden? Briefende.

Lieber Vetter, danke für das Briefbuch, das ich vor wenigen Minuten im Briefkasten fand und aufgemacht habe. Ich bringe es im Moment leider nicht über mich, von hier zu erzählen, denn ich habe heute Nachmittag etwas erlebt und kann an nichts anderes denken. Deshalb ... Leseprobe